Früher Totaler Muttermund-Verschluss (FTMV)Erich Saling, Monika Dräger geb. Schreiber und Jürgen Lüthje |
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EinführungWiederholte Spätaborte und frühe Frühgeburten sind zwei der bislang noch ungenügend gelösten Probleme der Geburts- und Perinatal-Medizin, wie sie heute mancherorts noch praktiziert wird. Die betroffenen Patientinnen sind häufig stark belastet: Einerseits sehnen sie sich sehr nach einem Kind und auf der anderen Seite erfahren sie wiederholte Verluste, was häufig zu zunehmenden psychologischen Belastungen führt. Ihnen zu einem lebenden Kind zu verhelfen, ist in solchen Fällen eine besonders wichtige medizinische und psychologische Aufgabe. PathophysiologieEine Hauptursache für Spätaborte und frühe Frühgeburten (≤ 32+0 SSW) sind aus der Vagina aufsteigende Infektionen (vgl. „Allgemeines zu Fehl- und Frühgeburten/Ursachen“). Deswegen empfehlen wir für alle Schwangeren ein regelmäßiges Screening durch Arzt/Hebamme auf vaginale Milieustörungen oder Infektionen sowie die Teilnahme an unserer Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere. Bei einigen Frauen reicht das aber nicht aus, und es kommt zu (wiederholten) Fehl- und Frühgeburten. Zervixinsuffizienz vs. funktionelle ZervixverschlussstörungIn diesen Fällen wird leider immer noch häufig der Begriff „Zervixinsuffizienz“ verwendet. Wir sollten aber besser von „funktionellen Zervixverschlussstörungen“ sprechen. Ursachen können z. B. folgende sein (nach Ramsauer 2012)
Romereo et al. (2006) diskutieren zusätzlich noch angeborene Erkrankungen sowie eine Hemmung der Progesteron-Wirkung. Die Ursachen können sich natürlich auch gegenseitig bedingen, so können z. B. mehrere der genannten Ursachen das Aufsteigen von Infektionen begünstigen. Insgesamt spielen aber Infektionen bei weitem die größte Rolle. So liegt laut Romero bei Schwangeren, die das klinische Bild einer „Zervixinsuffizienz“ haben, in 51 % eine mikrobielle Invasion der Amnionhöhle (engl. MIAC: microbial invasion of the amniotic cavity) vor (Romero et al. 1992). Weitere Forschung in diesem Bereich ist unbedingt nötig. Früher Totaler Muttermund-Verschluss als präventive MaßnahmeIn Fällen von sich wiederholenden Spätaborten und Frühgeburten stellt der Frühe Totale Muttermund-Verschluss (FTMV) die effektivste Maßnahme in Form einer Prävention dar und unterscheidet sich grundlegend von einer Cerclage (s.u.). Der Frühe Totale Muttermund-Verschluss bildet eine vollständige Barriere gegen aufsteigende Infektionen innerhalb des Zervikal-Kanals. Wir führten diese Maßnahme 1981 ein (Saling 1981). Vor dieser Zeit gab es in der Literatur nur wenige Veröffentlichungen über einen operativen späten Muttermund-Verschluss. Der Verschluss wurde fast ausschließlich bei drohendem Abort, vor allem in fortgeschrittenen Stadien durchgeführt. Z. B. hat Szendi (1961) zwei Artikel über das Thema „Verhinderung von fortgeschrittenen Fehl- und Frühgeburten durch vollkommenen Muttermund-Verschluss“ veröffentlicht. Der Muttermund-Verschluss stellte also eine Notfallmaßnahme dar, vor allem wenn es zu einem Vorfall der Fruchtblase gekommen war. Unser Ansatz war ein ganz anderer. Wir führten den Muttermund-Verschluss als Maßnahme der Frühprävention ein. Er sollte durchgeführt werden
Zwischen dem Totalem Muttermund-Verschluss (TMV) und der Cerclage (und im Prinzip auch zum gelegentlich verwendeten Pessar) besteht ein essentieller Unterschied. Während der Muttermund-Verschluss den Zervikalkanal tatsächlich verschließt und so in Form einer Barriere die Aszension von Mikroorganismen verhindert, wird der Zervikalkanal durch die Cerclage (oder durch ein Pessar) nur verengt (s. Abb. 1). Die deshalb zwangsläufig wesentlich schlechteren Ergebnisse der Cerclage werden weiter unten noch besprochen.
Achtung! Nicht alles was „Muttermund-Verschluss“ genannt
wird, ist tatsächlich ein Muttermund-Verschluss nach
Saling ! Insbesondere möchten wir darauf hinweisen, dass es sich beim sog.
„Cervical Occlusion Trial“ der Arbeitsgruppe um Secher
und Brix (Brix et al. 2013)
nicht um einen totalen Verschluss handelt, sondern
nur um eine besonders enge Form der Cerclage. |
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DefinitionenBeim Totalen Muttermund-Verschluss (TMV) unterscheiden wir zwischen einem „frühen“ und einem „späten“ TMV (s. Tabelle 1). Wegen der erheblich besseren Ergebnisse bei der Vermeidung von Spätaborten und Frühgeburten (s.u.) empfehlen wir, den Muttermund-Verschluss so weit nur möglich „früh“ (FTMV) statt „spät“ durchzuführen. Bezüglich der Operationstechnik kann man zwischen einem großen Totalen Muttermund-Verschluss und einem kleinen TMV unterscheiden (Tabelle 1). Für die meisten Fälle empfehlen wir den TMV als großen frühen TMV durchzuführen.
Tabelle 1: Definitionen zum Totalen
Muttermund-Verschluss (TMV) |
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Indikationen und KontraindikationenIndikationen für einen Frühen Totalen Muttermund-Verschluss (FTMV)
Kontraindikationen für einen FTMVKontraindikationen sind eine bereits eröffnete Zervix mit Infektionszeichen oder therapieresistente Wehen. Indikationen für einen späten Totalen Muttermund-VerschlussEin totaler Muttermund-Verschluss (TMV) wurde ursprünglich von Szendi 1961 als spät-therapeutische Notfallmaßnahme durchgeführt (Szendi 1961) und kann natürlich auch heutzutage sekundär durchgeführt werden,
Soweit möglich, sollte aber dem präventiven (frühen) Verschluss unbedingt der Vorzug gegeben werden (s.a. unten bei Ergebnisse). |
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Zeitpunkt der OperationDer FTMV sollte möglichst früh in der Schwangerschaft, vorzugsweise mit ca. 12 SSW, spätestens mit 14 SSW durchgeführt werden (auch wenn er per definitionem noch bis 16 SSW als „früh“ bezeichnet werden kann). Der Grund für diesen Zeitpunkt liegt u. a. darin begründet, dass man einerseits nicht zu früh operieren und zunächst abwarten möchte, ob im ersten Trimenon die Schwangerschaft erhalten bleibt (oder vielleicht ein Abort aus anderen Gründen erfolgt). Andererseits soll ein Aufsteigen von Infektionen schon vor dem Verschluss natürlich möglichst verhindern werden. Für die meisten Fälle ist ein Verschluss um 12 SSW daher angezeigt. Bei Bedarf (insbesondere bei vorangegangenen Fehlgeburten, die relativ früh erfolgten) kann der Verschluss aber durchaus schon vor 12 SSW erfolgen. Tipp: |
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Präoperative MaßnahmenInfektionsscreening und Pap-TestSofern der letzte Pap-Test schon länger zurückliegen sollte, empfiehlt es sich, diesen vor Einweisung ins Krankenhaus vorzunehmen, da bei der Operation die Portio-Oberfläche teilweise entfernt wird und die betreffende Region dann längere Zeit nicht mehr einsehbar sein wird. Eine andere Option wäre, das Abradat histologisch untersuchen zu lassen. Präoperativ müssen Untersuchungen auf Infektionen durchgeführt werden, z. B. Vaginal- und Zervikalabstriche mit mikroskopischer und/oder bakteriologischer Untersuchung. Im Falle pathologischer Befunde sollte die Patientin eine entsprechende lokale oder systemische Therapie mit Antibiotika oder Chemotherapeutika erhalten. Außerdem empfehlen wir, direkt vor der OP (bereits auf dem Operationstisch) eine Eipol-Lavage durchzuführen (s.u.). Leider wird diese sinnvolle Maßnahme noch nicht ausreichend genutzt. Präoperative Desinfektion2–3 Tage vor der OP sollte eine präoperative Desinfektion bzw. keimreduzierende Behandlung der Vagina durchgeführt werden, durch:
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Eipol-Lavage (EPL)Nach Durchführung eines FTMV bzw. TMV kann man nicht mehr untersuchen, ob nicht evtl. schon vor dem Eingriff Mikroorganismen in den Uterus aszendiert sind. Deshalb empfehlen wir direkt vor dem Verschluss die sogenannte Eipol-Lavage (EPL) durchzuführen. Die EPL haben wir 1992 eingeführt (Saling 1992) und über erste Erfahrungen berichtet (Brandt-Niebelschütz et al. 1992). Mit dieser risikoarmen Methode, bei der Spülflüssigkeit vom unteren Eipol gewonnen und bakteriologisch untersucht wird, kann man wichtige Informationen erhalten, ohne dafür die in angloamerikanischen Ländern verbreitete, wesentlich invasivere Amniozentese durchführen zu müssen. Falls nötig können bei positiven bakteriologischen Befunden dann gezielt die entsprechenden Antibiotika verabreicht werden. Manche Kollegen verzichten auf die Eipol-Lavage und geben generell perioperativ ein Breitspektrum-Antibiotikum – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Durchführung der EPLZur Durchführung der Eipol-Lavage verwenden wir ein eigens für diese Zwecke hergestelltes Führungsrohr mit vorne angebrachtem weichem Silikonschlauchansatz, durch das ein dünner (Außendurchmesser 1,5 mm) steriler, gut flexibler PVC-Katheter (Frühgeborenenernährungssonde) geführt wird (vgl. Abb. 2). Die Flexibilität des Katheters schließt eine Verletzung weitgehend aus.
Vor Beginn der Untersuchung wird die Portio am äußeren Muttermund mit einem geeigneten Antiseptikum desinfiziert. Unter Berücksichtigung steriler Kautelen wird das Führungsrohr mit dem relativ weichen Silikon-Ende behutsam wenige cm in den Zervikalkanal eingeführt. Daraufhin wird der Katheter durch das Führungsrohr geführt und bis zum Verspüren eines deutlichen Widerstandes durch den Zervikalkanal in Richtung auf den unteren Eipol vorgeschoben. Da der Kanal mitunter einen gekrümmten, manchmal auch einen geknickten Verlauf aufweist, empfiehlt es sich, den Katheter beim Sondierungsversuch mehrfach zwischen den Fingern zu drehen, um sein vorderes Ende so – ohne nennenswerten Druck auszuüben – besser zum oberen Zervikalkanalbereich passieren zu lassen. Über den eingeführten Katheter werden 2 ml steriler 0,9 %iger Kochsalzlösung instilliert und anschließend soviel wie möglich wieder aspiriert. Diese Lavage-Flüssigkeit wird später bakteriologisch aufgearbeitet. Gelingt es bei dem 40 cm langen Katheter nicht, mindestens 0,3 ml der Kochsalzlösung (das ist etwas mehr als das Totraumvolumen) zurückzugewinnen, empfiehlt sich ein zweiter und eventuell auch ein dritter Versuch, jeweils mit 2 ml Kochsalzlösung die Spülung zu wiederholen. Je mehr Spülflüssigkeit zurückgewonnen wird, um so größer ist die Menge, die mit dem unteren Eipol in Kontakt war. Mit der gewonnenen Eipol-Spüllösung werden ein Blutkulturmedium zur qualitativen Bestimmung aerober und anaerober Keime und eine Blutagarplatte zur semiquantitativen Bestimmung aerober Keime beimpft. Mit der Eipol-Lavage können auch noch Keime erfasst werden, die nicht über einen Zervix-Abstrich feststellbar sind. Ein Schwachpunkt der Methode besteht darin, dass man ein Höherschieben von Keimen aus der Zervix an den unteren Eipol nicht ganz sicher ausschließen kann. Andererseits muss man davon ausgehen, dass Keime, die bereits den Zervikalkanal erreicht haben, wahrscheinlich weiter aufsteigen und zur Infektion am unteren Eipol führen. Keime aus der Vagina dürften wegen der vorherigen Desinfektion des Muttermundbereiches und der Einführung des Katheters unter Sicht nicht eingebracht werden. |
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OperationstechnikInstrumentariumFür die Durchführung des operativen Totalen Muttermund-Verschlusses (TMV) empfiehlt sich das übliche Instrumentarium für Operationen am Muttermund plus ein spezielles Schlingeninstrument sowie eine Abschleifvorrichtung, die beide weiter unten im Text erklärt werden. Die Abbildungen A und B zeigen das im Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln hierfür verwendete Instrumentarium. Spezielle Instrumente sind entsprechend gekennzeichnet.
Abb. A: Instrumentarium für den
TMV 1) Schlingeninstrument zum Abbinden der Portio (von
Faromed Art. Nr 11-400)
Abb. B: Abschleifvorrichtung Schlingeninstrument zur BlutstillungVor Beginn der eigentlichen Muttermund-Verschluss-Operation empfiehlt es sich dringend, zur Vermeidung von Blutungen die Portio so hoch wie möglich zirkulär abzubinden, so dass eine fast vollständige Zirkulationsunterbrechung erreicht wird. Diese Maßnahme hat zwei entscheidende Vorteile:
Zum Unterbinden ist von uns ein spezielles Schlingeninstrument entwickelt worden (Saling 1989, s. Abb. 3 und 4)
Beim Schlingeninstrument befindet sich in einem Führungsrohr eine Stange mit Sperrverzahnung (s. Abb. 4) Diese ermöglicht es, die vorher um die Portio zirkulär angebrachte flexible Schlinge (s. Abb. 3) aus rostfreiem Stahldrahtgeflecht bis zur erwünschten Spannung fest zu ziehen und in diesem festgezogenen Zustand zu fixieren. Die Schlinge sollte so fest gezogen werden, dass eine nur geringfügige Blutung bestehen bleibt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Zirkulation im Gewebe nicht völlig unterbrochen ist. Wenn nach Abschluss des Eingriffes die Blutstillung aufgehoben werden soll, wird die Zahnstange um etwa 90 Grad gedreht. Die Sperrfeder gleitet dabei aus der Zahnung und gibt die Schlinge frei. Durch Hochschieben der Zahnstange wird die Schlinge gelockert, und die gesamte Vorrichtung kann leicht entfernt werden. Das Schlingeninstrument ist erhältlich bei der Faromed GmbH, Berlin. Entfernen des EpithelsWie vorhin schon betont: Der Muttermund kann nur dann vollständig zusammenwachsen, wenn vor dem Vernähen die Portiooberfläche angefrischt bzw. das Epithel möglichst vollständig entfernt wird. (Ansonsten handelt es sich nicht um einen Muttermund-Verschluss nach Saling, sondern nur um eine Form der Cerclage.) Früher wurde das Epithel durch scharfes Abpräparieren mit dem Skalpell von der Portiooberfläche entfernt, was aufwändig ist. Inzwischen kommt eine bessere Technik zum Einsatz: Durch Abschleifen der Portiooberfläche mit einer hochtourig rotierenden, einfachen sterilen Drahtbürste (s. Abb. 5a), wie dies ähnlich in der Dermatologie zur Narbenglättung eingesetzt wird, erfolgt ein wesentlich schonenderes und sichereres Anfrischen des Gewebes.
Um die zu beschleifende Fläche zu markieren, aber auch um anschließend jene, die Portiooberfläche adaptierenden und den Wundbereich verschließenden Knopfnahtreihen exakt setzen zu können, wird zirkulär – in einem Radius von etwa 10 mm um den äußeren Muttermund herum – eine 1–2 mm tief reichende Inzision mit dem Skalpell gelegt (s. Abb. 6). Anschließend wird das Portioepithel mit einer hochtourig rotierenden, einfachen sterilen Drahtbürste (Abb. 7) entfernt. Diese Drahtbürste wird über eine flexible Welle von einem durch Akkustrom versorgten kleinen Elektromotor angetrieben. Man kann auch ein mit Druckluft angetriebenes hochtourig rotierendes Schleifinstrument (s. Abb. 5b) benutzen (Firma Aesculap). Das hat den Vorteil, dass die Patientin mit keiner Stromquelle in Verbindung steht. Dafür ist diese Ausrüstung aber teuer in der Anschaffung.
Nach Abschleifen der Portiooberfläche wird, unter Spreizen des äußeren Muttermundes mit Moskito-Klemmen, auch ca. 1–2 cm hochreichend im Zervikalkanal, das Drüsenepithel im Zervikalkanal ebenfalls mit der rotierenden Drahtbürste möglichst ganz entfernt (Abb.8).
NahttechnikEs folgen nun 2–3 innere zirkuläre Nähte (s. Abb. 9). Anschließend werden 2 quere Knopfnahtreihen gesetzt, die den äußeren Muttermund total verschließen (Abb. 10). Für alle Nähte empfehlen sich synthetische monofile Fäden (PDS), weil diese im Vergleich zum Catgut ein deutlich reaktionsloseres Abheilen ermöglichen. Abb. 11 zeigt einen gut abgeheilten Verschluss.
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PostoperativWiederaufbau des VaginomsNach der OP bzw. nach Absetzen der desinfizierenden Behandlung sollte, um den Wiederaufbau des normalen Vaginoms zu unterstützen, einige Tage lang ein Lactobacillus-Präparat vaginal appliziert werden. Verhalten nach der OperationNach Ablauf von zwei Wochen nach der Operation und vollständiger Wundheilung bedarf die Schwangere, sofern keine anderen Gründe dafür vorliegen sollten, keiner besonderen Schonung mehr. Abb. 11 zeigt den Befund nach OP und Abheilung.
Verkürzung der Cervix nach dem FTMVIn einigen Fällen kommt es einige Zeit nach dem
FTMV zu einer Verkürzung oder sogar Trichterbildung der
Cervix. Ohne FTMV würde man dies als Risikohinweis für
eine drohende Frühgeburt werten. Sowohl eigene Erfahrungen als auch
die Erfahrungen anderer Kollegen (z. B. Fr. Dr. Ramsauer, Vivantes
Klinikum Berlin Neukölln und PD Dr. Weiss, Böblingen, pers. Mitteilungen)
haben aber gezeigt, dass eine Verkürzung nach FTMV kaum
von Bedeutung ist: |
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SonderfälleKombination mit einer CerclageEinige Kollegen kombinieren den Totalen Muttermund-Verschluss mit einer zusätzlichen Cerclage. Dafür existieren unseres Wissens aber keine fundierten Gründe. Die Prävention einer aszendierenden Infektion, der Hauptursache der vermeidbaren frühen Frühgeburten, ist – wie vorhin erläutert – beim TMV durch das Setzen einer totalen Barriere unvergleichlich effizienter als bei der Cerclage. Dafür sprechen auch die von uns erhobenen vergleichenden Ergebnisse. Ein anderer Aspekt, nämlich das Erzeugen einer zirkulären Narbe als Gewebereiz auf die Cerclageschlinge, dürfte irrelevant sein, da kaum angenommen werden kann, dass eine Narbe eine Dilatation der Zervix ernsthaft und anhaltend verhindern könnte. Außerdem bestehen nach einem TMV ebenfalls Narben als Folge der zirkulären intrazervikalen Nähte wie auch der beiden queren Knopfnahtreihen im äußeren Muttermundbereich. Das für die Vermeidung von Frühgeburten Entscheidende dürfte aber keine mechanische Stütze, sondern die Vermeidung der Aszension von Keimen sein. Kombination mit Emmet-PlastikBei Frauen mit Z.n. Zervixriss, ausgedehnter Konisation oder anderen Gründen für den Verlust von Cervixmaterial kann im selben Operationsgang nicht nur der FTMV, sondern zusätzlich auch eine Emmet-Plastik mit möglichst weitgehender Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse an der Cervix durchgeführt werden. Dieser kombinierte Eingriff sollte allerdings nur von Operateuren vorgenommen werden, die viel Erfahrung mit beiden Operationen haben. Die von einigen Kollegen für diese Fälle empfohlene Kombination von FTMV plus Cerclage halten wir für nicht sinnvoll (s.o.) und würden den Schwangeren bei Bedarf eher eine etwas weiter entfernt liegende Klinik empfehlen, in der der FTMV mit einer Emmet-Plastik kombiniert werden kann. FTMV bei Placenta praeviaEin Früher Totaler Muttermund-Verschluss kann durchaus auch bei einer Placenta praevia marginalis bzw. partialis durchgeführt werden, und man sollte keineswegs warten, bis sie sich „verlagert“ hat. Erfahrungen für FTMV bei Placenta praevia totalis liegen bislang nicht vor. Auf jeden Fall sollte der Verschluss möglichst in einer Klinik mit reichlich Erfahrung mit dem FTMV durchgeführt werden. Wichtig ist außerdem, dass sich in Nähe der Schwangeren eine Klinik oder Praxis befindet, die sowohl über ein hoch auflösendes Ultraschallgerät verfügt als auch über Ärzte, die viel Erfahrung mit der Ultraschall-Untersuchung von Schwangeren haben. Denn sollte es bei einer Placenta praevia zu stärkeren Blutungen kommen, kann dies unter Umständen zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust führen. Da es durch den Verschluss nicht nach außen bluten kann, kann die Blutung zunächst nicht erkannt werden. Aber stärkere Blutungen würden zu Beschwerden (meist Kontraktionen) führen und das Hämatom (die Blutansammlung zwischen Mutterkuchen und Gebärmutterwand) kann dann von einer im Ultraschall erfahrenen Ärztin/Arzt erkannt werden. Wir betonen „erfahren“, da das Hämatom wegen der Echodichte nicht immer leicht vom umgebenden Gewebe zu unterscheiden ist. Weitere Informationen finden Sie bei „Häufige Fragen/Placenta praevia und FTMV“. |
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Maßnahmen am Ende der SchwangerschaftIn der Spätphase der Schwangerschaft kann sich im Rahmen der Geburtsreifungsprozesse der äußere Muttermund evtl. spontan bereits gering geöffnet haben. Andernfalls empfehlen wir, bei ausreichendem Schwangerschaftsalter oder bei spontanem Geburtsbeginn den Versuch zu unternehmen, die Zervix zu rekanalisieren, um unkontrollierten Rupturen vorzubeugen. Das Rekanalisieren ist besonders bei einer noch 2–3 cm formierten „stehenden“ Portio etwas schwieriger als bei einer bereits verstrichenen. Wir empfehlen bislang, dass die Narbe spätestens eröffnet werden sollte, wenn:
Einige Kollegen haben inzwischen aber auch gute Erfahrungen damit gemacht, abzuwarten, dass sich die Narbe unter der Geburt alleine öffnet. Hier sind unserer Meinung nach (im Hinblick auf mögliche Komplikationen) noch größere Fallzahlen abzuwarten, bevor wir ein solches Vorgehen generell empfehlen können. Zur Eröffnung der Narbe wird im allgemeinen in Infiltrationslokalanästhesie oder in Periduralanästhesie (letztere, falls sie für die Geburt sowieso gewünscht wird) die Portio-Narbe mit einigen Scherenschlägen (s. Abb. 12) eröffnet. (Eine vorherige Ultraschalluntersuchung der Zervix empfiehlt sich zur Klärung der anatomischen Verhältnisse.) Anschließend geht man – um ein wenig zu dilatieren – mit dem Finger (s. Abb.13) in das darüber liegende lockere Zervixgewebe, in Richtung zum vermuteten inneren Muttermund einige cm tief ein.
Wünscht die Patientin nach der Narbeneröffnung entlassen zu werden, um abzuwarten, bis spontan Geburtsvorgänge einsetzen, sehen wir bei fehlenden Risikohinweisen keinen Grund, ihrem Wunsch nicht zu entsprechen. Wünscht die Patientin nach der Narbenöffnung eine anschließende Geburtseinleitung, empfiehlt sich bei noch nicht ausreichender Zervixreife zunächst lokal PGE2-Gel zu verabfolgen. Bei unbefriedigendem Erfolg kommt eine PGE2-Infusion in Betracht. Die Fruchtblase sollte so lange wie möglich erhalten bleiben. |
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EntbindungsmodusAuf keinen Fall sollte allein wegen des Muttermund-Verschlusses eine primäre Sectio erwogen werden. Im Gegenteil: Eine unter der vaginalen Geburt erfolgende Rekanalisierung der Portio scheint eine günstige Voraussetzung für die Wiederherstellung normaler anatomischer Verhältnisse zu sein. Ferner möchten wir aus eigener Erfahrung an einem Fall darauf hinweisen, dass sich eine Rekanalisierung der vor der OP nicht eröffneten bzw. nicht dilatierten Zervix nach vollzogener primärer Sectio wegen der unübersichtlichen anatomischen Verhältnisse außerordentlich schwierig gestalten kann. |
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Zustand nach der GeburtBei allen Patientinnen, bei denen eine vaginale Geburt nach dem FTMV erfolgt war, wuchs im Wochenbett Epithelgewebe innerhalb kurzer Zeit (wenige Wochen) über das Wundareal der Portio, und es ist – besonders seitdem die schonende Epithel-Abschleiftechnik verwendet wird – überraschend, wie wenig der Portio später nach Rückbildung im Wochenbett die vorausgegangene Operation anzusehen ist (s. Abbildungen 14 bis 16).
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ErgebnisseUm die Ergebnisse des FTMV, insbesondere im Vergleich zur Cerclage einschätzen zu können, sollte man nur Hochrisiko-Gruppen, wie jene, die oben (s. Indikationen) für den FTMV dargestellt wurden, in die Auswertung einbeziehen. Uns sind keine randomisierten Studien über den FTMV bekannt. Wir meinen auch, dass man bei den bislang veröffentlichten Ergebnissen kaum einer Frau mit derart kritischer Anamnese die Operation vorenthalten kann. Auch würde – zumindest in Deutschland, wo der FTMV schon sehr verbreitet ist – für eine randomisierte Studie wahrscheinlich keine Frau nach dem obligaten Aufklärungsgespräch bereit sein, evtl. einer Kontrollgruppe zugewiesen zu werden. Deshalb müssen wir uns auf die praktikable Lösung beschränken, den Ausgang der Schwangerschaft mit FTMV mit dem Ausgang früherer Schwangerschaften dieser Patientinnen, am besten mit der unmittelbar vorausgegangenen Schwangerschaft, zu vergleichen (Hormel und Künzel 1995, Saling 1984, Saling und Schumacher 1996). Man sollte dabei auch bedenken, dass die Chancen, doch noch ein lebendes Kind zu bekommen, umso weiter sinken, je häufiger eine Frau bereits Aborte oder Frühgeburten hatte (McManemy et al. 2007). Ergebnisse aus den 1980er und 1990er Jahren1990 haben wir retrospektiv die Daten einer Gruppe von Patientinnen mit habitueller Abort- oder Frühgeburtsneigung ausgewertet (Giffei 1990, Saling 1990). Bei 113 Patientinnen wurden von insgesamt 389 gewünschten Schwangerschaften nur 101 Kinder lebend geboren (26 %). 35 dieser Kinder starben jedoch noch in der Neonatalperiode. Demnach überlebten nur 66 Kinder; die Chance, ein überlebendes Kind zu behalten, lag also bei nur 17 %. Nach Durchführung des Totalen Muttermund-Verschlusses (TMV) waren in derselben Patientinnengruppe 132 Schwangerschaften mit 94 lebenden und auch überlebenden Kindern zu verzeichnen. Die Chancen stiegen damit auf rund 71 %. Wir konnten außerdem zeigen, dass unsere Ergebnisse mit dem „frühen“ TMV zweimal so gut wie mit dem „späten“ TMV waren (80 % vs. 40 %). Betrachtet man die 38 Fälle mit missglückten Schwangerschaften, dann waren es 10 mal Frühgeborene mit extrem niedrigen Geburtsgewicht, die kurz post partum verstarben. In den restlichen Fällen lagen Aborte vor, von denen 13 nach spätem Verschluss auftraten und 15 nach frühem Verschluss. Die Abortraten nach „spätem“ Verschluss betrugen somit 43 %, nach „frühem“ dagegen nur 15 % (Saling 1990). Ähnlich gute Ergebnisse wurden auch in anderen Kliniken mit dem Totalen Muttermund-Verschluss erzielt: 1996 veröffentlichten wir die Ergebnisse einer Multi-Center-Erhebung, an der sich 11 deutsche Kliniken beteiligt hatten (Saling und Schumacher 1996) und bei der der Ausgang von insgesamt 819 Schwangerschaften mit TMV untersucht wurde. Es zeigte sich, dass die Rate von überlebenden Kindern vor Durchführung des TMV 21 % gewesen war, im Vergleich zu 74 % der Schwangerschaften mit TMV. Hormel und Künzel (1995) berichteten über ähnlich gute Ergebnisse. Betrachtet man den Geburtsmodus, so hatten 71 % der Patientinnen unseres Kollektivs mit TMV eine Spontangeburt; insgesamt 86 % sind vaginal entbunden worden. Die Rate an Sectiones lag bei 14 % bei einer damaligen Sectio-Rate von 9 % aller Geburten in der gesamten Abteilung (Saling 1990). Diese relativ geringe Sectio-Rate zeigt, dass nach TMV die Geburt (nach vorheriger Eröffnung der Narbe) zumeist ohne Probleme vaginal erfolgen kann. Dies ist sogar empfehlenswert, da dabei die Zervix gedehnt wird, was für den Rückbildungsprozess nach dem operativen Verschluss als günstig anzusehen ist. 1997 berichteten wir über die Ergebnisse einer Nachuntersuchung bei 52 Frauen nach Schwangerschaft mit TMV (Saling und Schumacher 1997). Auf der Basis dieser Ergebnisse lässt sich schließen, dass im Zusammenhang mit dem operativen Totalen Muttermund-Verschluss keinerlei ins Gewicht fallenden negativen Auswirkungen festgestellt werden konnten. Ergebnisse neueren DatumsIn neueren Veröffentlichungen (z. B. Ramsauer 2012) wird sogar über noch bessere Zahlen berichtet: Ramsauer bezeichnet in ihrer Veröffentlichung den FTMV als prophylaktischen oder „primären Zervixverschluss“. Damit konnten im Zeitraum von 2008–2011 bei 315 Schwangerschaften eine Erfolgsrate von 95 % und mit dem sog. sekundären Zervixverschluss (später TMV) immerhin noch Erfolge um die 90 % erreicht werden. FTMV versus CerclageDie Cerclage ist eine – trotz kontroverser Diskussionen – immer noch weit verbreitete Maßnahme und es existieren zahlreiche Publikationen darüber. Einige Autoren berichten von guten Ergebnissen, aber man sollte sich diese Berichte kritisch ansehen und prüfen, ob die Cerclage bei Frauen mit einem ähnlich hohen Risiko, wie oben erwähnt, durchgeführt wurde. Die Cerclage – das trifft im Prinzip auch für Pessare zu – ist kaum in der Lage, aufsteigende Infektionen zu verhindern, da sie den Zervikal-Kanal nur verengt aber nicht verschließt (s.o., Abb. 1). In dem oben beschriebenen Kollektiv von Frauen, bei denen ein TMV durchgeführt wurde (Saling 1990), wurde in 51 vorangehenden Schwangerschaften eine Cerclage durchgeführt wobei nur 13 Kinder überlebten. Das ist eine Überlebensrate von nur 26 % (im Gegensatz zu 40 % bei „spätem“ TMV und 80 % bei frühem TMV). Diese Ergebnisse bestätigen, dass es ratsam ist, in diesen Fällen dem FTMV gegenüber der Cerclage den Vorzug zu geben. (Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen operativen Möglichkeiten ist in Vetter und Kilavuz (2001) zu finden.) Einige Kollegen kombinieren den Totalen Muttermund-Verschluss mit einer zusätzlichen Cerclage. Dafür existieren unseres Wissens aber keine fundierten Gründe (s. oben bei „Sonderfälle“). |
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Mehrlingsschwangerschaft und FTMVDie bisher dargestellten Zahlen beziehen sich alle auf Frauen, die in der Vorgeschichte bereits mindestens eine Früh- bzw. späte Fehlgeburt hatten. Inzwischen gibt es eine Untersuchung, bei der der FTMV bei Mehrlingsschwangerschaften (die ja bekanntermaßen ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko haben) präventiv eingesetzt wurde, auch wenn die Frauen nicht anamnestisch belastet waren: Schulze führte in der Frauenklinik Cottbus (Deutschland) seit 1990 bei jeder Mehrlingsschwangerschaft – falls die Patientin seinem Vorschlag zustimmte – einen FTMV prophylaktisch durch und hat damit bemerkenswerte Erfolge erzielt: Bei insgesamt 219 Mehrlingsschwangerschaften führte er bei 96 Frauen den FTMV durch, 123 Frauen erhielten keinen FTMV. Die Rate der sehr früh Frühgeborenen – also < 32SSW – lag bei 24 % der Fälle ohne FTMV und bei 13,5 % der Fälle mit FTMV. Bei den besonders stark gefährdeten Kindern, die mit weniger als 28 abgeschlossenen SSW geboren wurden, lag die Rate mit FTMV bei 1 % und bei 4 % ohne FTMV. Konsequenterweise ist auch die perinatale Mortalität in Fällen nach FTMV fast um die Hälfte niedriger. Mit FTMV betrug sie 2,5 % und ohne 4,1 % (Schulze 2008). Anhand des vorliegenden Datenmatierials ist es vielleicht noch zu früh, einen FTMV generell bei allen Mehrlingsschwangerschaften zu empfehlen, bevor nicht auch von anderen Kollegen eine Bestätigung der guten Ergebnisse erfolgt. Außerdem gibt es bislang noch keine Untersuchung die vergleicht, ob bei Mehrlingsschwangerschaften – bei ansonsten unbelasteter Vorgeschichte – der FTMV oder die Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere (SVA) zu besseren Ergebnissen führt. Aber man sollte diese Möglichkeit zumindest ernsthaft in Betracht ziehen – insbesondere bei Mehrlingsschwangerschaften und zusätzlichen Risikofaktoren (z. B. nach In-vitro-Fertilisation, oder bei einer Schwangeren gegen Ende ihrer möglichen Reproduktionszeit). |
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SchlussfolgerungAuf der Basis der bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse stellt der Totale Muttermund-Verschluss – insbesondere der frühe Verschluss – eine überzeugend effiziente operative Maßnahme zur Vermeidung später Aborte und früher Frühgeburten dar, insbesondere in Fällen, in denen solche Ereignisse wiederholt aufgetreten waren. |
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Patientinneninformation zum Muttermund-VerschlussAuf unserer Website sind auch Informationen über den Frühen Totalen Muttermund-Verschluss für Patientinnen enthalten. Diese können auch gerne als PDF-Datei zur Weitergabe an die Patientinnen ausgedruckt werden. |
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Codierung nach ICD-10 und OPS-301ICD-10 Diagnose:O26.2 (Schwangerschaftsbetreuung bei Neigung zu
habituellem Abort) OPS 301-Procedur:5-674.1 (Muttermund-Verschluss in der Schwangerschaft) |
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AdressenWir führen eine Liste mit Adressen von geburtsmedizinischen Abteilungen, bzw. Frauenkliniken, in denen unseres Wissens der Frühe Totale Muttermund-Verschluss durchgeführt wird. Wir bemühen uns, weitere Adresse zu erhalten. Sollte eine in Betracht kommende Klinik bislang dort noch nicht aufgeführt worden sein, oder sollten sich Änderungen ergeben haben, bitten wir um Benachrichtigung. |
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TMV-VideoDer gesamte Operationsablauf des Totalen Muttermund-Verschlusses ist auch in Form eines selbst erstellten Videos mit Kommentaren auf Deutsch oder Englisch gegen einen kleinen Betrag erhältlich. Die über die Herstellungskosten hinausgehende Summe kommt dem gemeinnützigen Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin zu Gute.
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Literatur
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