- Einführung
- Wie lassen sich Frühgeburten oft vermeiden?
- Wie können Scheideninfektionen früher als bisher erkannt werden?
- Wie bestimmen Sie selbst den Scheiden-pH-Wert?
- Was ist zu tun, wenn der pH-Wert zu hoch ist?
- Wann und wie oft sollte der pH-Wert gemessen werden?
- Wann besteht ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko?
- Welche Warnzeichen für eine drohende Frühgeburt gibt es?
- Was können Sie selbst zur Vorbeugung von Scheideninfektionen tun?
- Wie können Sie sich vor starken Belastungen schützen?
- Schwangeren-Selbstvorsorge-Pass

Einführung
Die Schwangerschaft ist eine Zeit der Vorfreude und Pläne, aber auch der Zweifel und Sorgen. Die größte Sorge aller werdenden Eltern ist natürlich, ob sich ihr Kind gut entwickelt und ob es gesund zur Welt kommen wird. Durch die regelmäßigen Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen sind Ihre Chancen, ein gesundes Baby zu bekommen, so groß wie nie zuvor, da Störungen des normalen Schwangerschaftsverlaufes meist rechtzeitig erkannt werden können.
Allerdings kommt es trotz aller Vorsorge immer noch in etwa 9 % der Schwangerschaften zu einer Frühgeburt, d.h. die Kinder kommen zu früh (vor 37+0 Schwangerschaftswochen), zumeist auch untergewichtig (unter 2500 g Geburtsgewicht), auf die Welt. Trotz der Fortschritte auf dem Gebiet der Neugeborenen-Intensivmedizin bestehen besonders für die sehr früh, nämlich vor 32+0 Wochen, geborenen Kinder nach wie vor zahlreiche, zum Teil schwerwiegende Probleme im Säuglingsalter, mitunter auch zeitlebens. Die dadurch verursachten großen Belastungen für das Kind und die ganze Familie sollen natürlich, wenn irgend möglich, vermieden werden.
Einige Beobachtungen und Untersuchungen, um Anzeichen einer möglicherweise drohenden Frühgeburt rechtzeitig zu erkennen, können Sie selbst zu Hause vornehmen. Aus diesem Grunde haben wir, zusätzlich zum ärztlichen Frühgeburten-Vermeidungs-Programm, eine Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere entwickelt, welche bei sorgfältiger Anwendung zu hervorragenden Ergebnissen führt. Die Erklärung dafür ist einleuchtend: Während der Frauenarzt die Schwangere im Allgemeinen nur alle vier Wochen im Rahmen der üblichen Schwangeren-Vorsorge-Maßnahmen betreut, untersucht die Schwangere sich selbst alle drei bis vier Tage. Die Chancen, dadurch Gefahren sehr viel früher zu erkennen sind damit wesentlich günstiger.
Bisher nahmen bzw. nehmen an der von uns seit 1993 durchgeführten Selbstvorsorge-Aktion viele tausend Schwangere teil. Nach den bisherigen Auswertungen ist die Anzahl sehr kleiner Frühgeborener (Geburtsgewicht unter 1500 g) von 7,8 % in der unmittelbar vorausgegangenen Schwangerschaft auf jetzt 1,3 % zurückgegangen .
Danach wurden in Erfurt und später in ganz Thüringen mit unserem Programm zwei große Aktionen durchgeführt. Hierbei kam es ebenfalls zu einer beeindruckenden Absenkung der Frühgeburtenzahlen. Diese Ergebnisse sind insofern ein Durchbruch, als es durch andere Vorgehensweisen seit Jahrzehnten nicht gelungen war, die Frühgeburtenrate mit einfachen Mitteln auf breiter Basis, z. B. Landesebene überzeugend und dauerhaft zu senken. Ein entscheidender Faktor dürfte dabei sein, dass es bislang mit keiner anderen Maßnahme möglich war, ein derart frühes Vorstadium des Frühgeburtenentstehungsprozesses zu erkennen und so früh wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Wie lassen sich Frühgeburten oft vermeiden?
Ein großer Anteil der Frühgeburten oder späten Fehlgeburten wird durch aufsteigende Infektionen aus der Scheide verursacht. Diese Infektionen können zu vorzeitigen Wehen, zu einem vorzeitigen Blasensprung und schließlich zur Frühgeburt führen, eventuell auch zu Infektionen des ungeborenen Kindes sowie der Mutter.
Daher sollte jede Schwangere selbst zu Hause einige Beobachtungen und Untersuchungen vornehmen, um Hinweise auf eine möglicherweise drohende Früh- oder späte Fehlgeburt rechtzeitig zu erkennen.
Wie können Scheideninfektionen früher als bisher erkannt werden?
In der Scheide besteht normalerweise ein mikrobielles Gleichgewicht zwischen in großer Menge vorhandenen Milchsäurebakterien und in geringerer Zahl vorhandenen anderen Keimen (andere Bakterien, Viren und Pilze). Das körpereigene Abwehrsystem sorgt dafür, dass sich andere Keime nicht übermäßig vermehren können. Dabei wird das Abwehrsystem von den Milchsäurebakterien (Laktobazillen) unterstützt (siehe Abb. 1). Die von diesen produzierte Milchsäure bewirkt, dass im Scheideneingangsbereich die Scheidenflüssigkeit deutlich sauer ist, wodurch die meisten kritischen Keime in Schach gehalten werden.
Der Säuregehalt wird durch den sog. pH-Wert angegeben: Je saurer eine Flüssigkeit ist, desto niedriger ist ihr pH-Wert. Normale pH-Werte für den Scheideneingangsbereich liegen zwischen 4,0 und 4,4.
Wenn durch eine Schwächung der körpereigenen Abwehr oder durch ungünstige äußere Bedingungen sich die Anzahl der Milchsäurebakterien verringert oder diese von fremden Keimen verdrängt werden, kann dies meist am pH-Wert im Scheideneingangsbereich erkannt werden: Er steigt auf Werte über 4,4 an. Ein pH-Wert über 4,4 kann somit entweder auf eine alleinige Verringerung der Milchsäurebakterien (sog. vaginale Milieustörung oder vaginale Dysbalance) – die häufig ein Vorstadium einer Infektion ist – oder auf eine damit kombinierte bereits nachweisbare Infektion hindeuten. Damit besteht die Möglichkeit, Scheideninfektionen oder deren Vorstadien oft frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, noch bevor Komplikationen auftreten
Untersuchungen zur Früherkennung von Veränderungen des Scheiden-pH-Wertes können Sie selbst durchführen, so dass eine Überprüfung in kurzen Abständen – auch zwischen den ärztlichen Vorsorgeterminen – gewährleistet ist.
Wie bestimmen Sie selbst den Scheiden-pH-Wert?
Es gibt verschiedene Produkte zur Selbstmessung des Scheiden-pH-Wertes. Allen gemeinsam ist, dass ein Teststreifen seine Farbe entsprechend dem pH-Wert verändert. Der hier abgebildete CarePlan® VpH-Testhandschuh ist zurzeit nicht erhältlich.
Die Messung kann zu jeder Tageszeit durchgeführt werden. Um die Messung nicht zu verfälschen, soll der Teststreifen möglichst nicht – auf keinen Fall mit feuchten Fingern – berührt werden. Führen Sie den Teststreifen 2–3 cm tief in die Scheide ein und drehen Sie ihn einige Male leicht hin und her, damit er gut mit der Scheidenflüssigkeit befeuchtet wird. Das Einführen gelingt z. B. gut im Stehen, wobei Sie einen Fuß auf die Sitzfläche eines Stuhles oder eine Bettkante stellen.
Vergleichen Sie direkt nach der Messung – solange die Indikatorschicht noch feucht ist – deren Farbe mit der Farbskala (s. Abbildung) und lesen Sie den dazugehörigen pH-Wert ab. Notieren Sie den Wert der Farbskala, welcher der Farbe des Teststreifens am ähnlichsten ist (bitte keine Zwischenwerte schätzen). Der Wert ist normal, wenn er dem gelben Farbton der pH-Werte 4,0 oder 4,4 entspricht.
Bitte tragen Sie alle pH-Werte und das jeweilige Datum – um einem Informationsverlust entgegenzuwirken am besten gleich nach der Messung – in den Schwangeren-Selbstvorsorgepass ein. Legen Sie diesen bitte zusammen mit Ihrem Mutterpass bei jedem Arztbesuch vor.
Bitte beachten Sie: Bei Anwendung eines Antibiotikums (auch örtlich in der Scheide) sollte trotzdem regelmäßig der Scheiden-pH-Wert gemessen und notiert werden. Beunruhigen Sie sich nicht, wenn der pH-Wert dabei ansteigt. Das liegt daran, dass das Antibiotikum nicht nur fremden Keimen, sondern auch Milchsäurebakterien entgegenwirken kann. Daher ist – in Absprache mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt – im Falle eines pH-Anstieges eine gleichzeitige vaginale Ansäuerungstherapie (z. B. durch Milchsäure) und – nach Beendigung der Antibiotikatherapie – eine anschließende Nachbehandlung mit einem Lactobacillus-Präparat zu empfehlen.
Was ist zu tun, wenn der pH-Wert zu hoch ist?
Wenn der pH-Wert einmal nicht im Normalbereich ist, besteht noch kein Grund zur Beunruhigung. Er kann z. B. nach dem Geschlechtsverkehr durch die Samenflüssigkeit verändert sein. Deshalb sollte der pH-Wert nicht innerhalb von 12 Stunden danach gemessen werden, es sei denn, Sie haben Kondome verwendet. Das Testpapier könnte auch mit Urinresten in Berührung gekommen sein (Urin kann ganz unterschiedliche pH-Werte haben).
Solange erhöhte pH-Werte vorliegen, sollten Sie beim Geschlechtsverkehr sicherheitshalber Kondome verwenden, um das Risiko einer aufsteigenden Infektion möglichst gering zu halten!
Wann und wie oft sollte der pH-Wert gemessen werden?
Am besten messen Sie den pH-Wert vom Beginn der Schwangerschaft bis mindestens 34+0 SSW besser jedoch bis zur Entbindung, da auch für ein reifgeborenes Kind Infektionen mit Risiken verbunden sind. Sollten Sie erst in einem fortgeschrittenen Stadium Ihrer Schwangerschaft von diesem Vorsorgeprogramm erfahren haben, „lohnt“ es sich dennoch, mit dem Messen zu beginnen.
Im Allgemeinen reicht es bei einer unkomplizierten Schwangerschaft, die Messung zweimal pro Woche vorzunehmen. Es spricht aber nichts dagegen, wenn Sie zu Ihrer eigenen Beruhigung häufiger messen. Dies ist vor allem dann zu empfehlen, wenn Sie bereits in dieser oder einer vorangegangenen Schwangerschaft unter Infektionen der Scheide gelitten haben. Auch wenn Sie aus einem der nachstehend genannten Gründe ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt haben, ist eine häufigere pH-Wert-Bestimmung sinnvoll.
Wann besteht ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko?
Bei einigen Frauen ist aufgrund vorangegangener Ereignisse oder Besonderheiten in der jetzigen Schwangerschaft das Risiko einer Frühgeburt erhöht (s. Tabelle 1). Deshalb ist in allen genannten Fällen eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich.
Wenn Sie bereits eine oder mehrere Fehl- oder Frühgeburten hatten, lesen Sie bitte auch unsere Informationen zum Frühen Totalen Muttermund-Verschluss.
Tabelle 1: Risikofaktoren | |
---|---|
a) vorausgegangene Ereignisse |
|
b) Besonderheiten in der jetzigen Schwangerschaft |
|
Welche Warnzeichen für eine drohende Frühgeburt gibt es?
Wenn Sie eine oder mehrere der folgenden Besonderheiten feststellen, sollten Sie sich so bald wie möglich mit Ihrer frauenärztlichen Praxis in Verbindung setzen:
- wiederholte Messung eines Scheiden-pH-Wertes von 4,7 oder höher. Achtung: Besonders hohe Werte können durch Abgang von Fruchtwasser (vorzeitiger Blasensprung) bedingt sein. (Bei Verdacht auf einen vorzeitigen Blasensprung sofort Praxis oder Krankenhaus aufsuchen!)
- Schmierblutungen
- übelriechender oder stark vermehrter Ausfluss (eine geringe Vermehrung ist in der Schwangerschaft normal)
- auffallend häufiges Wasserlassen (auch hier ist eine gewisse Zunahme normal) oder Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen
- Juckreiz oder Brennen in der Scheide oder im äußeren Intimbereich
- Fieber und/oder Durchfall (mit diesen Ereignissen gehen oft gesteigerte Aktivitäten der Gebärmutter einher)
- vorzeitige Wehen:
- stärkere menstruationsähnliche Beschwerden
- Ziehen in den Leistenbeugen oder Rückenschmerzen
- vorübergehendes, wiederholtes Hartwerden des Unterbauches
- Druckgefühl nach „unten“
Über das normale physiologische Maß hinaus vorkommende Wehen sind als kritisch bis bedrohlich anzusehen. Das ist der Fall, wenn diese häufiger als 2 mal pro Stunde oder häufiger als 10 mal über den ganzen Tag verteilt auftreten.
Was können Sie selbst zur Vorbeugung von Scheideninfektionen tun?
Die Infektionsanfälligkeit im allgemeinen wie auch die der Scheide kann in der Schwangerschaft durch verschiedene Umstände, z. B. hormonelle Veränderungen, erhöht sein. Aber es gibt vorbeugende Maßnahmen:
Ein warm-feuchtes Klima unter Luftabschluss begünstigt z. B. das Wachstum von Hefepilzen (Candida). Tragen sie deshalb keine eng anliegende Kleidung und keine Slipeinlagen mit Kunststoff-Folie. Bevorzugen Sie Wäsche aus Naturfasern, die sich bei 60 °C waschen lässt. Führen Sie keine Scheidenspülungen durch und bringen Sie keine Substanzen (Spray, Gel usw.) in die Scheide ein, es sei denn, diese sind ärztlich verordnet.
Eine gesunde Ernährung, die alle für Ihr Baby wichtigen Nährstoffe liefert, ist auch für Ihr körpereigenes Abwehrsystem am besten.
Wie können Sie sich vor starken Belastungen schützen?
Eine Schwangerschaft ist ein natürliches Ereignis. Der wachsende kleine Mensch in Ihnen verlangt Ihrem Körper und Ihrer Seele allerdings viel ab. Vermeiden Sie daher körperlich stark anstrengende Arbeiten und auch geistige Überforderungen. Es gibt jedoch keinen Grund, sich übermäßig zu schonen, solange Sie sich wohl fühlen.
Wenn Sie berufstätig sind, ist durch die Mutterschaftsrichtlinien geregelt, welche Arbeiten Ihnen zuzumuten sind. Erkundigen Sie sich in Zweifelsfällen bei Ihrer Krankenkasse.
Seelische Belastungen werden in vielen Fällen nicht so einfach zu vermeiden sein. Aber auch hier gilt: Lassen Sie sich helfen, durch Familienangehörige, Freunde oder auch in einer Beratungsstelle. Ein sehr gutes Mittel zum Stressabbau nach einem „nervigen“ Tag ist übrigens maßvolle körperliche Betätigung, also vor allem Spazieren gehen oder Schwimmen. Bei allen anderen Sportarten fragen Sie lieber vorher Ihre Ärztin / Ihren Arzt, der Sie kennt und Ihren Gesundheits- und Trainingszustand beurteilen kann.
Schwangeren-Selbstvorsorge-Pass
Als Ergänzung zu dem von der Frauenärztin / dem Frauenarzt geführten Mutterpass haben wir einen sog. „Schwangeren-Selbstvorsorge-Pass“ entwickelt, welcher Ihnen eine eigene Dokumentation der Schwangerschaft aus Ihrer Sicht ermöglicht. Dies bietet mehrere Vorteile:
- Zahlreichen Schwangeren wird der Wunsch erfüllt, selbst wichtige Ereignisse in ihrer eigenen Schwangerschaft, die für eine Risikoeinschätzung bedeutend sind, zu dokumentieren.
- Die von den Schwangeren aufgezeichneten Daten lassen sich weit besser medizinisch nutzen, als oft lückenhafte, nur aus der Erinnerung gemachte Angaben.
- Dieser Pass, der ursprünglich für die elementare Datenerfassung im Rahmen der Selbstvorsorge-Aktion für Schwangere entwickelt wurde, ermöglicht auch die Erfassung selbst gemessener pH-Werte in der Scheide.
Sie können den Selbstvorsorge-Pass als PDF-Datei hier herunterladen.